![]() | ![]() CineZone: Mister Condon, warum ist auch heute noch eine so gern gesehene Figur in Film und Fernsehen? Bill Condon: Es ist schon ein interessantes Phänomen, dass diese Figur die Menschen seit über einem Jahrhundert so fasziniert. Das hat sicher damit zu tun, dass es ein beruhigendes Gefühl vermittelt, wenn ein Held in einer grauen Welt über einen derart kristallklaren Blick verfügt und aus seinen Eindrücken ohne jede Sentimentalität solch bestechend logische Schlussfolgerungen zieht. Heute denkt man bei „Sherlock” sofort an Benedict Cumberbatch. Sie haben Ihren vorigen Film mit ihm gedreht – war er nicht enttäuscht, dass Sie ihn für dieses Projekt nicht besetzt hatten? (lacht) Nein, allerdings gab es schon eine etwas seltsame Reaktion von ihm. Bei unserem Dreh von „Inside WikiLeaks“ erwähnte ich öfters dieses geplante Projekt über Sherlock Holmes mit Ian McKellen. Und jedes Mal, wenn ich davon erzählte, tat Benedict so, als würde er das zum ersten Mal hören. Man konnte fast glauben, als wolle er keinen anderen Sherlock neben sich haben. Seine Darstellung in dieser Serie finde ich absolut großartig. Was macht die besondere Qualität von Ihrem Sherlock-Darsteller Ian McKellen aus? Die große Kunst des Schauspielers besteht darin, einen tief in die Seele seiner Figur blicken zu lassen. Ian besitzt dieses Talent und er hat es in den letzten zwanzig Jahren noch gesteigert. Er ist noch offener und leuchtender geworden. Je älter und erfahrener man wird, desto weniger Verteidigungsmechanismen oder Tricks muss man verwenden. Zudem ist Ian ein überaus intelligenter, großzügiger und zärtlicher Mensch. McKellen spielte bereits die Hauptrolle des alternden Regisseurs in „Gods and Monsters“, sehen Sie Ähnlichkeiten zu diesem Film? Es gibt durchaus ähnlich Themen, es geht in beiden Filmen um zwei ältere Menschen, die sich mit ihrer Sterblichkeit und dem Verlust von Macht konfrontiert sehen. Sie wollen in diesem letzten Abschnitt ihres Lebens noch etwas richtig machen, was ihnen zuvor nicht gelang. Für Ian und mich hatte diese thematische Ähnlichkeit einen besonderen Effekt, schließlich sind wir mittlerweile 20 Jahre älter geworden und sehen solche Dinge mit anderen Augen, weil wir sie uns viel näher sind als damals. Wie leicht war es, McKellen für diesen zweiten gemeinsamen Film zu bekommen? Ich war immer davon überzeugt, dass wir wieder einmal zusammen arbeiten werden. Besser gesagt, ich hatte es immer gehofft. Dann ist Ian auf einmal ein Megastar geworden, der in riesigen Projekten wie „Der Herr der Ringe“ und „X-Men“ mitspielte. Da kamen mir erste Zweifel und ich sagte mir, dass es wohl eher nicht mehr zu einer weiteren Zusammenarbeit kommen würde. Aber dann erhielt ich das Drehbuch zu „Mr. Holmes“ und ich wusste: Das ist es! Ich schickte es sofort an Ian. Er las es und sagte: „Das ist eine Traumrolle!“ Das war es, und damit ging es los. Der 76-Jährige McKellen verwandelt sich in den Holmes mit 93 Jahren, was sie auffallend mit Großaufnahmen zeigen. Verstehen Sie das als eine Ode an die Schönheit des Alters? Absolut! Der Film setzt sehr stark auf Großaufnahmen, weil ich damit wunderbar zeigen, welche Schönheit auch ein altes Gesicht ausstrahlen kann – was natürlich nur dank unserer großartigen Maskenbildnerin in dieser Form gelingen konnte. Das Make-up hatte für mich den verblüffenden Effekt, dass Ian nach Drehschluss und abgeschminkt auf mich so wirkte, als wäre er plötzlich ein 20-jähriger junger Mann. Mit richtig jungen Männern hatten Sie es zuvor in Ihren beiden „Breaking Dawn“-Filmen zu tun. War „Mr. Holmes“ Ihr Erholungsurlaub von dem Popcorn-Spektakel für Teenager? Nach diesen zwei Teilen von „Breaking Dawn“ hatte ich mir wirklich gewünscht, ein kleines, intimes Drama mit zwei britischen Schauspielern zu drehen und da kam „Mr. Holmes“ gerade recht. Natürlich feiern die „Breaking Dawn“-Filme die Schönheit junger Menschen - aber das finde ich durchaus legitim. „Breaking Dawn“ ließ massiv die Kassen klingeln, haben Sie vom enormen Profit von „Breaking Dawn“ überhaupt etwas abgekommen? Mein Job wurde gut bezahlt, aber an den Einnahmen bin ich nicht beteiligt. Das finde ich aber gar nicht außergewöhnlich oder unfair, weil das Phänomen „Breaking Dawn“ ja bereits existierte als ich an Bord des Projekts kam. Weniger erfolgreich erging es Ihnen anschließend mit „Inside WikiLeaks“, der zum Flop geriet – wie erlebt man als Künstler diese Achterbahn? Das fällt schon schwer, weil ich stolz auf „Inside WikiLeaks“ bin. Aber das Thema ist eben kompliziert und stellt eine Herausforderung für das Publikum dar. Vielleicht waren wir mit diesem Film einfach zu früh, weil diese Vorgänge um WikiLeaks noch immer nicht abgeschlossen ist. Immerhin haben Sie Daniel Brühl damit die Chance gegeben, an der Seite von Benedict Cumberbatch zu spielen. Wo sehen Sie die Qualitäten des deutschen Darstellers? Daniel besitzt sehr viel Humor, das ist schon mal eine wichtige Qualität. Außerdem ist er intelligent und ein Typ, dessen Anständigkeit man regelrecht spüren kann. Mich hat Daniel oft an Matt Damon oder auch James Stewart erinnert. Sie leben seit langem offen schwul, würden Sie das auch Stars in Hollywood empfehlen? Oder ist ein Coming Out noch immer ein Karriere-Killer in der Traumfabrik? Matt Damon hat vor kurzem gesagt, Filmstars sollten geheimnisvoll bleiben, damit sie als Projektionsfläche für die Fantasien des Publikums dienen. Und für Frauen wäre das bei einem schwulen Star schwieriger. Das sehe ich überhaupt nicht so. Unsere Kultur hat sich enorm gewandelt und mittlerweile ist es gerade unter jungen Leuten ziemlich cool, schwul zu sein. Ich bin überzeugt, damit ergeben sich für eine neue Generation von Stars ganz neue Möglichkeiten. | ![]() |